Einzelne Leute haben durchaus sehr unterschiedliche Gründe, warum sie bei Rosa Rose aktiv sind. Hier sind einige Stimmen:
Philip:
„Meine Motivation mich in einem gemeinschaftlichen Garten, wie der RosaRose zu beteiligen bzw. tätig zu sein hat mehrere Aspekte, die ich hier nicht alle aufführen kann und so nur kurz auf einige Punkte eingehen werde:
- Ein wichtiger Aspekt für mich ist die eigenständige und selbstorganisierte Gestaltung einer öffentlichen Freifläche, die für alle zugänglich und nutzbar ist. Dabei das Stadtbild bzw. die eigene Umgebung selbständig zu gestalten und in einen lebendigen und vielfältigen Raum zu verwandeln, ist das spannende.
- Unter dem Aspekt Ernährungssouveränität und Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln sehe ich den gemeinschaftlichen Garten als praktische Umsetzung angewandter Kapitalismuskritik. Dass solche Ideen auch in Ballungsgebieten dafür sorgen können, viele Menschen zu ernähren, zeigt das Beispiel Havanna. Vorteil dabei ist nicht nur ein grüner Kiez, sondern vor allem klimaneutrale Erzeugnisse.
- Ein weiter Aspekt sind die verschiedenen Menschen, die in einem solchen Projekt beteiligt sind und deren Umgang miteinander. Es entsteht ein kollektives Gesamtwissen ohne das eine Person sich speziell professionalisieren muss. Durch gemeinsame Entscheidungen, bei denen alle Beteiligten miteinbezogen werden, wird versucht gegenüber den gesellschaftlichen Verhältnissen ein hierarchiefreies Miteinander aufzubauen.
Solltest du noch mehr wissen wollen warum Menschen in gemeinschaftlichen Gärten aktiv sind, dann schau doch einfach mal auf der Homepage, dem Blog oder im Garten vorbei.“
Frauke:
„Als Mitinitiatorin des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsgarten Rosa Rose freue ich mich nach wie vor darüber, dass diese wichtigen Grundanliegen ›Nachbarschaft – Gemeinschaftliches Miteinander – Selbermachen – Fragen der Nahrungsmittelproduktion‹ sich bis heute durch all die bewegten Jahre als roter Faden hindurchziehen.
Trotz Bekanntheit und städtischem Gartenboom ist es ein angenehmer und unspektakulärer Ort des Verweilens und des Miteinander geblieben, wo verschiedenste Menschen sich zusammen wohlfühlen. Das ist sehr viel und sehr wesentlich für ein gesundes Leben in einer Großstadt.“
Susanne: Wem gehört die Stadt?
„Gärtnern in der Stadt bedeutet Flächen zu aktivieren und produktiv zu machen. Oft sind die Leute, denen diese Flächen »gehören« nicht dieselben, die die Stadt bewohnen und beleben. Daraus ist eine breite Debatte um das Recht auf Stadt hervorgegangen, die durch die Praxis des urbanen Gärtnerns belebt wird.
Das Gärtnern führt zu Lebensformen, die sich nicht kooperativ in die üblichen Verfahrensweisen von Liegenschaftsinhaber_innen (Kauf, entgeltlich-vertragliche Nutzung oder Räumung) eingliedern lassen: Es geht um die Nutzung von Flächen.
Als uns der Liegenschaftsfond im September 2009 erstmals mit einer Räumung drohte, stellte sich heraus, dass sich noch niemand dazu bequemt hatte, die Fläche vor Ort zu besichtigen. Diese Art der Kontaktaufnahme finden wir sonderbar.
Gemeinschaftsgärten schaffen eine aktive Vernetzung der Nachbarschaft. Leute, die sich zuvor noch als Fremde auf der Straße begegnet sind, finden einen Ort für ein gemeinsames Projekt, einen Ort zum Feiern und Faulenzen. Sie setzten sich aber auch kritisch mit sozialen oder ökologischen Problemen der Nachbarschaft auseinander oder bieten überregionalen Themen der Landwirtschaft eine Plattform in der Stadt. Die Gärten verbessern über viele Jahre die Bodenqualität; in ihnen schaffen sich Menschen, Tiere und Pflanzen einen attraktiven Lebensraum und fragen dabei oft nicht nach den Renditen von ihrem »Investment«. Denn Bäume schlagen auch dort ihre Wurzeln, wo Spekulant_innen die Gegend verunsichern. Und Blüten, Beeren, Früchte sind überall dort ein sichtbarer Triumph, wo Leute beginnen zu fragen: Wem gehört die Stadt?“
Maya: Kontaminiertes Stadtgemüse
„Mit der Fläche, auf der wir jetzt gerade gärtnern haben wir Glück: sie ist für Verhältnisse in der Stadt nur »normal verschmutzt«. Ich persönlich esse auch Rauke, Nachtkerzenblätter und Beeren von Stellen der Stadt, deren Verschmutzungsgrad mir nicht bekannt ist, sogar, wenn sich eine erhöhte Kontamination vermuten lässt.
Warum?
Leben in der Stadt stellt sich oft so dar, dass wir durch unseren Energiekonsum Gegenden, an denen wir selbst nicht leben, gefährden (Atomkraft) oder verwüsten (Braunkohletagebau). Die Stadt ist vom Land nicht nur abhängig, um die Nebeneffekte des eigenen Wahnsinns von sich fern zu halten; die Stadt braucht das Land auch, um von dort nettes Biogemüse zu beziehen. Wir wollen gesund leben, hinterlassen aber in unserer nähsten Umgebung, in der Stadt, Spuren, die den Boden in etwas verwandeln, von dem wir nicht essen wollen.
Solange die Verhältnisse so sind, werde ich dieser Realität nicht ausweichen, sondern mich mit meinem eigenen Körper damit konfrontieren und essen, was hier wächst. Gute Nahrung ist kein Importgut für Privilegierte. Ich lebe in der Stadt, hier kämpfe ich für Zustände, die dem sozialen Nahrungsmittelanbau entsprechen.“
Hanns: Ernährungssouveränität
„Seit Jahren kennen wir das: Hilfslieferungen z.B. Getreide aus Europa an Hungernde irgendwo in Afrika, führt dazu, dass die lokalen Märkte dort zusammenbrechen, noch mehr Menschen verarmen, der betroffene Staat sich noch weiter verschuldet. Vertreter der Weltbank treten dann auf und empfehlen oder nicht selten befehlen eine verstärkte Exportorientierung, gerade mit Agrarprodukten des betroffenen Landes – eine Spirale weiterer Verarmung.
Als nun die UNO als eines der Millenniumsziele, die sie bis 2020 erfüllt sehen will, die Bekämpfung des Hungers in der Welt benannte, »Ernährungssicherheit« forderte, traten alsbald Organisationen aus den von Hunger betroffenen Ländern, allen voran »Via Campesina«, auf den Plan und forderten stattdessen »Ernährungssouveränität«. Nicht vermehrte Hilfslieferungen seien die Lösung, sondern die Ermöglichung, selber die nötigen Lebensmittel zu produzieren und auf lokalen Märkten zu verkaufen. Dies kann natürlich nur gelingen, wenn das Land weg von den für den Weltmarkt produzierenden, kleinen Eliten des Landes oder internationalen Konzernen mit Sitz in den USA oder Europa zurück an die Kleinbauern gelangt.
Was heißt das für uns in Europa, wenn wir eine solche Entwicklung hin zur Ernährungssouveränität begrüßen? Sollten wir nicht unsererseits versuchen, Ernährungssouveränität zu praktizieren? Ich verspreche mir da einen doppelten Effekt:
1. Je mehr bei uns für den eigenen Markt produziert werden kann, umso weniger steht dem Weltmarkt als unsere Überproduktion zu Verfügung, d.h. der Dumpingdruck auf andere Märkte verringert sich.
2. Je weniger wir konsumieren an exotischen Südfrüchten, umso mehr werden die dortigen Produzenten auf ihre eigenen lokalen Märkte angewiesen sein, vielleicht weniger mit Luxusfrüchten als mit Grundnahrungsmitteln.
Natürlich gibt es da keine Automatik. Immer neue, luxuriösere, nur mit dem Flugzeug transportable Früchte drängen auf unsere Märkte. Gleichzeitig wird großflächig Biodiesel produziert und verknappt zusätzlich das Land für subsistenten Anbau. Wenig hilfreich ist, wenn nun »Bio«-Produkte um den halben Globus geschippert werden.
Das bringt mich nun auf einen dritten Punkt: Es geht nicht ohne eine bewusste politische Willensbildung. Nur so lässt sich der gegenwärtige Wahnsinn stoppen. So ist für mich mein Gärtchen auch praktische Propaganda. Ich bin stolz, dass es mir gelingt, ein halbes Jahr fast nur vom eigenen Gemüse zu leben und ich lerne Jahr für Jahr dazu – übers Jahr verteilte Fruchtfolge, Schädlingsbekämpfung, Lagerung trotz kleiner Stadtwohnung, Aufzucht aus eigenem Samen etc..
Nicht verschweigen möchte ich zwei weitere Motive,die mich anleiten. Wenn ich das eigene Gemüse mit dem Fahrrad nachhause fahre, dann geht der Energieverbrauch – und damit CO²-Ausstoß – bis zum Kochtopf gegen Null. Schon das ein Grund, zunehmend auch »Urbane Landwirtschaft« anzudenken und in die Stadtplanung mit einzubeziehen.
Das zweite Motiv hat eine längere Geschichte. Als ich vor Jahren arbeitslos war, haben wir uns als »Glückliche Arbeitslose« deklariert. Wir wollten einfach nicht in das allgemeine Gejammere um die knappen Arbeitsplätzchen mit einstimmen. War denn das wirklich so erstrebenswert, um fast jeden Preis irgendeinen Unsinn zu treiben und sich herumkommandieren zu lassen? Ein sinnvolles Leben statt Arbeit um jeden Preis! Das ist für mich zu einem guten Teil mein Gärtchen – wie ich oben darzulegen versuchte – Widerstand gegen eine unmenschliche Ideologie.
Meine »Vision«? Wenn Gedanken, wie ich sie darzulegen versuchte, um sich greifen, würde eine neue sehr viel umweltverträglichere und auch friedlichere Kultur entstehen. Wir bräuchten nicht mehr um die Welt zu jetten um uns vom »Alltagsstress« zu »erholen«, selbst die Wochenendflucht »Aus grauer Städte Mauern« käme zum Erliegen. Wir bräuchten auch nicht mehr ferne Märkte mit welchen Mitteln auch immer zu »erobern«. Wir bräuchten auch Europa nicht mehr wie eine Festung zu verteidigen. Reisetätigkeit, Migration wie Warenfluss würden nicht einfach zum Erliegen kommen, aber auf ein vernünftiges Maß sich einpendeln. Es ginge geruhsamer und auch geselliger zu bei uns und anderswo. Vieles könnte uns noch einfallen Urbane Landwirtschaft betreffend und für Jede_n gäbe es was Sinnvolles zu tun.“